FAHNENSCHWINGEN – GESCHICHTE


»Lasst hören aus alter Zeit ... ! «

 

»Miär wend dr Fahne drubert schwinge und wider einig sii«, ein sinnvoller, im Nidwaldnerland noch vielfach angewandter Spruch, der den innern Wert und die hohe Bedeutung des Fahnenschwingens eindrucksvoll bekundet. - Kein Geringerer als Palamedes, der Erfinder der Schlachtordnung im Trojanischen Kriege, hat den Truppen sowie den Wachen die ersten Fahnen gegeben, um sie besser zu erkennen. Die Fahne, von den Ahnen »Signum belli« (Kriegszeichen) genannt, gibt den Streitern, solange sie im Felde fliegt, Herz und Mut. Mit der Überreichung der »Blutfahne«, die aus rotem Tuch ohne irgendein Bild bestand, ging der Blutbann, das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden, im frühen Mittelalter an den Lehensträger oder Ring über. So wurden auch die Streitfälle im Ring, der alten Bannform, unter der Fahne geregelt und gesühnt.

Es wird wohl kaum mehr möglich sein, den genauen Ursprung und das Alter des Fahnenschwingens nachzuweisen. Sicher ist, dass dieses edle Spiel schon im frühen Mittelalter gepflegt wurde und zur Zeit der Burgunder- und Schwabenkriege eine grosse Breitenentwicklung erfuhr. Im Zeitalter der Söldnerheere kam diese schöne Kunst erst richtig zur vollen Entfaltung und gelangte zu hohem Ansehen. Das Fahnenschwingen wurde selbst an königlichen Höfen gefördert und gepflegt und galt neben dem Fechten allgemein als manierliches soldatisches Spiel. Es wurden ausführliche Fahnenschulen geschrieben und mit prachtvollen Kupferstichen ausgestattet, um das Schwingen der Fahne nach einem einheitlichen Rodel und in genau umschriebenen Formeln zu verankern. Fahnen-Exerzitien-Meister A. Klett hat 1679 in seinem Traktätlein »Die kleine Fahnenschule« sehr wertvolle Hinweise über dieses »edle Kunststück« hinterlassen. Er hat sein Werklein durch Johann Meyer, Kupferstecher, mit 11 Tafeln und 21 Stichen ausschmücken lassen und dasselbe dem »Ehrundmannbesten, wohlfürnehmen und hochmeritierten Herren Stadt-Fendrich« sowie auch dem gewöhnlichen Wacht- und Fahnenzug gewidmet.

 

Er lobt darin das Fahnenschwingen als ein heroisches und nützliches Werk, das mit viel »grazia« vorgetragen werden soll. Die vielen Hinweise auf verbindliche Verpflichtungen in der Ausführung der Fahnenkunst haben zum grossen Teil heute noch volle Berechtigung.

Historisch und authentisch erstmals nachgewiesen sind die Bannerherren und Fenner (Venner, Vendrich,

Fenderich) mit der kurzgestielten, schwingenden Fahne unter Maximilian Sforza 1512 bei seinem Einzug mit den Eidgenossen in Mailand. Das Fähnlein hatte die Form eines liegenden Dreiecks. Sein Tuch war an der Stange breit, sich zu einem abgerundeten Ende verjüngend und mit einem durchgehenden langschenkligen »wiss Krüz in einem roten Velde« gekennzeichnet. Die alten Fenner oder Bannerherren, die mit ihrem »Fendly« oder »Panner« gegen den Feind auszogen, hatten gemäss »des Fenners eyd« alles aufzubieten und um die Fahne zu kämpfen, um sie zu halten, solange Gott jedem das Leben gönnte. Sie rotteten ihre Knechte um sich und munterten sie auf, tapfer und getrost zu streiten. Kleinere Kriegstrupps oder Rotten nannte man damals ein »Vennlein«. Ihr Fahnenjunker oder Fenner hob zum bessern Erkennen seines Standortes sein »Vändli« in die Höhe oder warf es in die Luft. Dem Panner die Treue zu bewahren, war der Eidgenossen höchstes Gebot, sei es in Abwehr des äussern Feindes oder in den Söldnerdiensten fremder Staaten.

 

Das kriegerisch ruhige Zeitalter nach der Französischen Revolution bewirkte für das stolze Spiel mit der Fahne einen ungeahnten Stillstand und Rückgang, nachdem es seinen Siegeszug durch ganz Europa in einer Jahrhunderte überdauernden Zeitspanne behauptet hatte. Den strengen soldatischen Regeln entsprechend, durfte das Fahnenschwingen nur von bewährten Bannerherren und edlen Fahnenjunkern dargeboten werden. Durch den Rückgang des Reislaufens und die Einkehr in ein geordnetes Bürgertum gab es immer weniger Scholaren, die diese schöne Kunst erlernten. Das Fahnenschwingen wurde immer seltener gezeigt und drohte langsam in Vergessenheit zu versinken. Glücklicherweise entstanden aus der jahrhundertealten Überlieferung des stolzen, kriegerischen Fahnenspiels da und dort sinnvolle, bodenständige Volksbräuche, die sich jeweils den vorhandenen Verhältnissen anpassten und sich dem Ritual der angestammten, sesshaften Gepflogenheiten und Sitten einfügten. So auch in den Alpentälern der Urschweiz. Langsam hat sich daraus eine schöne, heimatgebundene Eigenart entwickelt.